Eine hybride Podiumsdiskussion der keb Ostalbkreis erörterte Ursachen und Lösungswege, wie man einer Erschöpfung der Gesellschaft entgegenwirken könnte.
Der eigenen Vitalität wieder mehr Raum geben – so lautet vielleicht das „Gegenmittel“ gegen einen gesellschaftlich drohenden Burnout. Am Donnerstagabend, 25. April lud die Katholische Erwachsenenbildung (keb) Ostalbkreis hochkarätige Gäste aus Gesundheitswesen, Wirtschaft und Betroffenen-Gruppen zu einer hybriden Podiumsdiskussion mit dem Titel „BURNOUT – ausgebrannte Gesellschaft?“ ein. Die Veranstaltung lockte circa 60 Zuhörer:innen in die Gmünder Wissenswerkstatt EULE sowie knapp 50 Online-Teilnehmer:innen in die Video-Konferenz. Nach einer kurzen Vorstellungsrunde stellten die Podiumsteilnehmer:innen ihre Sichtweisen auf die „gesellschaftliche Erschöpfungsdepression“ vor, die im Zusammenhang mit Überlastungen im Arbeitskontext steht.
Moderiert von Karolina Tomanek, Leiterin der Katholischen Betriebsseelsorge Ost-Württemberg, startete die Diskussion. Zu Beginn stellte Dr. Hadinger, Professorin am Institut für Logotherapie und Existenzanalyse Wien/Tübingen ihre Thesen dar: Mit zeichnerischen Mitteln zeigte sie, dass Energiequellen, die die eigene Vitalität im Leben förderten – wie beispielsweise Natur, Kultur und positive zwischenmenschliche Erfahrungen – bei Betroffenen immer mehr verschwinden würden. Gleichzeitig seien die gesellschaftlichen Erwartungen heutzutage extrem hoch und damit gäbe es viele Energieräuber. Sowohl bei Erkrankten sowie bei High-Performern, die versuchen, all diese Erwartungen zu erfüllen, stünde die Sinnfrage im Zentrum der Krankheit. Zugespitzt zitierte die ProfessorinViktor Frankl: „Manchmal ist das Symptom das einzig Gesunde in einem falsch geführten Leben.“
Psychische Belastungen aktiv angehen
Dr. Michael Fritzsch, Chefarzt im Bereich der Psychosomatik der Ostalbkliniken, erläuterte die Angebote bei einem stationären Aufenthalt. Vor allem an den inneren Faktoren könne man gezielt mit Patient:innen arbeiten. Jede Bewältigung habe eine individuelle Ausgestaltung. Dies konnte Stefan Egelhof, erster Vorsitzender der „Freunde und Förderer der Aalener Psychosomatik e.V.“ aus eigener Erfahrung berichten: „Entweder ich beschäftige mich mit meiner Depression oder die Depression beschäftigt sich mit mir.“ Er plädierte für einen aktiv-gestaltenden Umgang mit psychischen Problemen – so selbstverständlich wie eine Ernährungsberatung in der Grundschule. In dieser Richtung berichtete Guido Dies, Geschäftsbereichsleiter der AOK Ostwürttemberg im Bereich Prävention: Psychische Erkrankungen seien mittlerweile der dritthäufigste Krankheitsgrund und hinter körperlichen Leiden wie beispielsweise Rückenschmerzen könne sich auch verbergen, dass man im Alltag zu viele seelische Lasten trage. Er hielt ein starkes Plädoyer dafür, sehr frühzeitig und ein Leben lang präventiv die psychische Gesundheit zu stärken und leitete in den Arbeitskontext über mit der Frage: „Wer soll gesund führen, wenn er selbst nicht gesund lebt?“
Ein positives, menschliches Arbeitsumfeld erhalten
Gerhard Bösner, Betriebsratsvorsitzender der Carl Zeiss SMT GmbH, erläuterte daraufhin seine Bemühungen, ein Umfeld zu schaffen, in dem Überlastungen offen angesprochen werden können. Er berichtete ergreifend von Führungskräfte-Schulungen, bei denen sich Einzelne langsam trauen würden, psychische Belastungen, Schlafstörungen, und das Nicht-Abschalten-Können anzusprechen. Letztlich ging die Diskussion auf die problematischen Seiten der Digitalisierung ein: Gesellschaftlicher Austausch komme zu kurz, anstelle sich etwas von der Seele zu reden, gehe der Blick in flackernde Bildschirme. Auch die Assistenz seitens der KI biete hohes psychisches Gefahrenpotential hinsichtlich einer Vereinsamung.
Zum Ende der Veranstaltung gab es positive Perspektiven: „Burnout ist heilbar!“, so die gute Prognose von Dr. Fritzsch. „Wir brauchen wieder mehr positive, einladende Sinnziele in unserer medial vermittelten Gesellschaft“, forderte Dr. Hadinger. Kriege, Verwüstung und Hass seien nicht das Einzige auf der Welt. Auch in Publikumsfragen kamen die Ängste einer gesellschaftlichen Überforderung, Krankheitserfahrungen und mögliche persönliche Lösungsansätze zu Wort. Von einem gesellschaftlichen Wandel sei man allerdings noch weit entfernt.
Die hybride Podiumsdiskussion wurde von der keb Ostalbkreis und der Katholischen Betriebsseelsorge Ostwürttemberg mit den Kooperationspartnern Religionspädagogisches Institut Schwäbisch Gmünd, dem Kloster der Franziskanerinnen, der Katholischen Arbeitnehmerbewegung, der Evangelischen Erwachsenenbildung Ostalb und der Partnerschaft für Demokratie veranstaltet. Bereits am 2. Mai folgt die nächste keb-Veranstaltung in Schwäbisch Gmünd: Mit dem Erfolgsbuch „Männer altern anders“ will Prof. Eckart Hammer den Übergang in die Zeit nach dem Erwerbsleben erleichtern. Die Veranstaltung beginnt um 19.30 Uhr in der Theaterwerkstatt Schwäbisch Gmünd. Sie ist kostenfrei, um Spenden wird gebeten. Weitere Veranstaltungen zur Enttabuisierung psychischer Krankheiten wie beispielsweise der offene Elternabend zum Thema Mediensucht auf www.keb-ostalbkreis.de